Die Brieftauben
Die Brieftauben waren für
meinen Vater in zweifacher Hinsicht wichtig: erstens waren gedünstete
Daum seine Leibspeise und andererseits war er ein sehr erfolgreicher und
begeisterter Züchter, der aber auch seine Züchterkollegen mitkommen lies indem
er von seinen erfolgreichen Zuchttauben Eier
weitergab.
So ließ er sich auch dazu überreden beim Reisetaubenverein
in Kötzting den Vorstand zu machen und bei uns in der Hofeinfahrt wurden dann
die Tauben „eingesetzt“.
Das heißt: die Reisetauben wurden nach Ringnummernkontrolle,
die jede Taube individuell und einzigartig an ihrem Fuß hatte, in eine Liste
eingetragen, eine zusätzlichen beschrifteten Gummiring an den anderen Fuß bekam
– dafür gab es in kleines Gerät, damit dieses auch schnell und ohne Schaden
machbar war - und zu anderen in einen
großen Reisekorb gesetzt. Natürlich kostete die Teilnahme an der Verschickung
Geld.
Wie heutzutage die Paletten hatten diese großen Reisekörbe
Normgrößen und wurden zu festgesetzten Zeiten von einem großen Lastwagen
abgeholt, der alle teilnehmenden Reisetaubenvereine nacheinander abfuhr und die
einzelnen Körbe einsammelte und anschließend zum Auslassziel, z.B. Rotterdam
fuhr.
Abends traf man sich im Vereinslokal, jeder mit seiner
mitgebrachten Spezialuhr , die genormt
und verplombt war, um gemeinsam und zeitgleich in ganz Bayern, die Uhr in Gang
zu setzten.
So nun hatte man also gleichlaufende Uhren zuhause und Tauben
auf der Reise, die am Zielort - unterwegs wurden sie natürlich gefüttert und
getränkt - mit einer großen Klappe an der Lastwagenseite alle gleichzeitig
„aufgelassen“ wurden. Diese Auflasszeit wurde am Sonntag morgen im Radio bekannt gegeben und aus der
bekannten Wegstrecke und der Auflasszeit konnten die einzelnen Vereinsmitglieder
sich grob ausrechnen, wann mit der Heimkunft der einzelnen Renntauben zu
rechnen sein könnte.
Nun hieß es zum vermuteten Zeitpunkt im Taubenschlag zu
sitzen und mehrfach zu hoffen:
1. dass die Taube den Weg auch findet (der individuelle Ring
der Taube ermöglichte auch eine Rückgabe des Tieres, wenn die Taube sich in
einen anderen Taubenschlag verflogen hatte.
2. dass den Renntauben unterwegs nicht passiert ist
(Gewitterfronten, Raubvögel z.B.)
3. dass die Taube, wenn sie schon zurückkommt, dann auch
gleich in den Taubenschlag hinein fliegt und nicht etwa gegenüber auf dem
Nachbardach sich mal eben eine Viertelstunde ausruht.
Aus diesem Grunde haben die Taubenzüchter auch einen
besonderen Lockruf, den sie immer bei der Fütterung benutzen. Mit diesem
„Pfiff“ werden dann die Tauben sowie der Besitzer sie kommen sieht, angelockt
und im Taubenschlag sofort gefangen und der Gummiring entfernt.
Die Taubenuhr hat am Deckel eine Öffnung hinter der eine
drehbare Walz mit Löchern sich befindet. Also: der Gummiring der ankommenden
Taube wird in die Öffnung gesteckt und mit einem Schlüssel wird die Walze
weiterbewegt und gleichzeitig auf einem Papierstreifen die Uhrzeit
dokumentiert.
Damit ist der genaue Ankunftszeitpunkt objektiv dokumentiert
– der einzelne Taubenschlag ist auf den Meter genau eingemessen und damit ist
bei bekanntem Auflassort eine metergenaue Vermessung der Flugstrecke und mit
der gespeicherten Ankunftszeit auch eine genaue Geschwindigkeitsberechnung
möglich. So wird dann ddie schnellste Reisetaube des Vereins, des Bezirkes usw.
ermittelt und dafür gibt es entsprechende Preise.
Solche „attraktiven“ Urkunden schmückten dann unsere Wohnung
und die Gänge. Allerdings waren auch wertvolle Preise darunter, so ein
massivgoldener Ring mit einer stilisierten Taube drauf, diesen Ring habe ich in
den 70ern als Friedenstaubenring jahrelang getragen. Zuhause haben wir auch
noch ein riesengroßes Silbermedaillon auch dies gewonnen mit den Brieftauben.
Mein Vater hatte bereits seit seiner Kindheit ein Händchen
für die Geflügelzucht und so konnte er sich erstens gute Zuchttauben leisten
und mit den entsprechenden Wissen und seiner Erfahrung auch entsprechend
kreuzen und hatte so wohl einige spektakuläre Erfolge zu verzeichnen, wie mir
erst kürzlich von einem „alten Brieftauberer“ erzählt worden ist, der sich
unsere alten „Vogelsteign“ abholen durfte, bevor wir sie weggeworfen hätten.
Nichts desto trotz noch viel wichtiger waren ihm die Tauben
im Bräter. Von der Schlachtung – bei uns wurde den Tauben im Hof kurzerhand und
ganz schnell der Kopf abgerissen und dieser dann in den Kanal im Hof geworfen.
Bei Rablnachbarn ging das schon brutaler
zu, um sie hinterher leichter rupfen zu können wurden die Tauben aufgeblasen
und ihnen dann mit einer Schnur der Hals zugebunden. Ich sehe sie heute noch
beim Nachbarn in der Einfahrt hängen.
Anschließend wurden die Tauben gerupft, auch dies häufig im
Hof über dem Kanalgitter und dann ging´s ans Ausnehmen und Abflammen der Federnstifftl
am Gasherd.
Während sonst immer meine Mutter oder Tante Lene fürs Kochen
zuständig gewesen war, bei den Tauben und später beim Wiener Backhuhn war er
der alleinige Küchenchef – auch die dunkelbraune Soße machte er selber und Herz
und die anderen Innereien bereitete er zu.Für die Semmelknödel war dann wieder
meine Mutter zuständig.
Stress gab´s nur mit uns Kindern weil wir seiner Meinung
nach die Knochen nicht ausreichen genug abfieselten und für seinen Geschmack
immer viel zu viel Fleisch noch drangelassen haben.
Mit dem Abbruch des großen Stadels im Hof und dem Neubau der
Volierenanlagen verschwanden die Tauben und kamen erst viele Jahre später
wieder im Pferdestall zum Vorschein.
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